Qualitätskriterien für die Vergabe von Geldmitteln hinsichtlich WSP und Strukturentwicklung

Qualitätskriterien für die Vergabe von Geldmitteln hinsichtlich WSP und Strukturentwicklung  

  1. Die Fraktion der Grünen bittet die Bezirksregierung, die beigefügten Qualitätskriterien für das Wirtschafts- und Strukturprogramm zu prüfen und ggf. um weitere Kriterien zu ergänzen.
  2. Die Fraktion der Grünen beantragt. die so vorgelegten und ggf. ergänzten Kriterien als einer der Grundlagen für die Arbeit der Kommission Rheinisches Revier zu beschließen.
  3. Die Fraktion der Grünen bittet darum. die so beschlossene Grundlage an die Landesregierung und an die Gremien der Zukunftsagentur Rheinisches Revier zu übermitteln.

Qualitätskriterien für das Wirtschafts- und Strukturprogramm 1.1

Das Wirtschafts- und Strukturprogramm für das Rheinische Revier (WSP) definiert ein anspruchsvolles Ziel: Das Rheinische Revier soll im Zuge des bald konkret werdenden Kohleausstieges zu einer CO-2 neutralen Modellregion entwickelt werden, in der Klimaneutralität bis  2038 verwirklicht und mit dem Aufbau von Zukunftsarbeitsplätzen und nachhaltiger Wirtschaftsweise verbunden werden. Diese Modellregion will sich dabei im Rahmen einer Internationalen Bau- und Technikausstellung (IBTA) auch einem internationalen Publikum präsentieren. Man will – so wörtlich –  „der ganzen Welt beweisen, daß Klimaschutz, Wirtschaft, Arbeit und gutes Leben zusammengehen“. Bis 2038 soll die Region eine der ersten klimaneutralen Regionen Europas sein und den Green Deal der EU am konsequentesten umgesetzt haben. In derselben Weise ist der Entwurf des Reviervertrages abgefasst, der direkt zu Beginn den Grundsatz betont, weltweites Vorbild für die Transformation weg von einer kohlenstoffbasierten Industrie und Energieversorgung hin zu einer durch erneuerbare Energieversorgung geprägten klimaneutralen Industrie sein zu wollen.

Gemessen daran ist der bisherige Stand des  Programmentwurfes nicht ausreichend. Darin sind außer der bereits benannten begrüssenswerten Zieldefinition keine konkreten Umsetzungsschritte und Qualitätskriterien enthalten, die einen Weg zur Zielerreichung weisen würden. Es werden Herausforderungen beschrieben und allgemeine Lösungswege aufgezeigt. Es fehlt aber die konkrete Anwendung auf die einzelnen Zukunftsfelder.

Notwendig ist daher, in dem Wirtschafts- und Strukturprogramm Qualitätskriterien festzulegen und bei Projektaufrufen transparent zu machen, die dem ambitionierten selbst gesetzten Anspruch gerecht werden. Dies ist auch deshalb erforderlich, damit Klarheit über die Fördermöglichkeiten besteht. Es kann keine Beliebigkeitsförderung geben, sondern nur eine solche, die gemessen an den Zielen zum Erfolg messbar beiträgt.

Ohne eine solche Festlegung  erscheint eine Modellregion und die dadurch gewollte Anziehungskraft nicht erreichbar, erst recht nicht eine internationale Anziehungskraft.

Die aus unserer Sicht wichtigsten Qualitätskriterien, die in das WSP aufzunehmen sind, werden nachfolgend beschrieben

  1. Klimaneutrale Energieversorgung in der Modellregion

Das selbst gesetzte Ziel Klimaneutralität wird nur erreicht, wenn die Energie für Strom, Wärme und Mobilität vollständig auf erneuerbare Energie und den Ausbau der entsprechenden Regel- und Speicherkapazitäten vollständig umgestellt wird. Das WSP benennt zutreffend realistische Möglichkeiten wie dies gelingen kann, zB. ambitionierter Ausbau der Windenergie, Nutzung der Photovoltaik auf Gewerbe- und Privatdächern, auf Mitarbeiter- und Kundenparkplätzen, auf Rekultivierungsflächen, Agri-PV, Speicherung in Form von Wasserstoff, Kleinspeichern und Grossspeichern, etc.

Konkrete Qualitätskriterien, die als Fördervoraussetzung zu beachten sind, werden daraus aber nicht abgeleitet.

Neue Quartiere für Wohnen, Gewerbe oder Industrie müssen daher an das Qualitätskriterium geknüpft werden, daß hierfür eine Konzept für eine vollständige dezentrale klimaneutrale Energieversorgung einschließlich notwendiger Speicherkapazitäten umgesetzt wird.

  1. Decarbonisierung der Industrieproduktion

Wer eine klimaneutrale Energie mit internationaler Strahlkraft bis 2038 vorweisen will, muß als Qualitätskriterium – auch für eine Förderung – festhalten, daß eine Förderung einen messbaren Erfolg, also eine CO-2 freie Produktion bewirkt. Die in NRW ansässige Industrie braucht für die Ersetzung von fossilen Produktionsstoffen durch CO-2 freie Rohstoffe (insbesondere Ersetzung von Öl und Gas durch Wasserstoff) Unterstützung. Diese muss aber an das genannte Qualitätskriterium gebunden werden.

  1. Zukunftsfähige Arbeitsplätze in einer nachhaltigen Wirtschaft

Mit Recht stellt das WSP zukunftsfähige Arbeitsplätze in den Vordergrund. Dabei bietet die Energiewende besondere Chancen für das Handwerk und den Mittelstand. Denn die Energielandschaft der Zukunft wird nicht mehr aus wenigen zentralen Großkraftwerken, sondern aus vielen dezentralen, auf das jeweilige Quartier bezogene Anlagen und Speichern bestehen. Das führt zu mehr dezentraler Beschäftigung vor Ort.

Ein an der Nachhaltigkeit ausgerichtetes Qualitätskriterium führt allerdings auch dazu, daß die Ansiedlung von Betriebsformen der fossilen Vergangenheit, zB noch mit fossilem Lkw-Brennstoff betriebene Logistikzentren nicht mehr gefördert werden können und auch nicht neue  Gewerbegebiete, in denen das noch möglich sein soll.

  1. Modellregion für flächeneffizientes nachhaltiges Bauen

Das WSP erklärt das flächeneffiziente nachhaltige Bauen zutreffenderweise zu einem wichtigen Ziel, mit der die Modellregion auch durch eine Internationalen Bau- und Technikausstellung (IBTA) ihren Vorbildcharakter unter Beweis stellen will. Das muss durch Qualitätskriterien unterlegt werden, dahingehend, daß für neue Bau- oder Gewerbegebiete ambitionierte Kriterien zur Flächeneffizienz festgelegt werden. Zudem muß ein Kriterium sein, daß für neue Gebäude die Möglichkeiten der solaren Eigenstromversorgung, die inzwischen die kostengünstigste Stromversorgung darstellt und der nachaltigen Arbeitsplätzen vor Ort zugute kommt,  voll ausgenutzt werden. Schließlich muss der Anspruch an die Klimaneutralität auch an die verwendeten Baustoffe und Baumaterialien gestellt und dabei die sog. graue Energie berücksichtigt werden.

  1. Vollständige KreislaufwIrtschaft

Klimaneutralität und Ressourcenschutz lassen sich nur verwirklichen, wenn eine möglichst vollständige Recyclingwirtschaft realisiert wird. Die Wiederverwertung der eingesetzten stofflichen Ressourcen muss daher in einer klimaneutralen Modellregion eine entscheidende Rolle spielen und in konkreten Qualitätskriterien abgebildet werden. Die umfassende Trennung, Aufarbeitung und Wiederverwendung der Abfall- und Reststoffe führt zu zukunftsfähigen Arbeitsplätzen gerade im mittelständischen Bereich.

  1. Klimaneutrale Mobilität

Eine klimaneutrale, weltweit vorzeigbare Modellregion muss die Verkehrssysteme auf klimaneutrale Füsse stellen. Daraus ergibt sich unschwer das Qualitätskriterium, daß neue Wohn- oder Gewerbequartiere und ihre Nutzer die Mobilitätsenergie aus erneuerbaren Quellen, sei es erneuerbarer Strom, grüner Wasserstoff oder andere, gewinnen muss, und daß die notwendige Infrastruktur dafür als Voraussetzung eingefordert wird.

  1. Modellregion für nachhaltige Landnutzung

Mit Recht wird im WSP für eine nachhaltige Modellregion eine nachhaltige, ressourcenschonende und Landbewirtschaftung verlangt, die Schadstoffeinträge vermeidet und klimafreundliche Bewirtschaftung unterstützt. Zutreffend wird hierzu auch auf die im letzten Jahr von der EU verabschiedete farm-to-fork Strategie als Leitlinie Bezug genommen. Durch Qualitätskriterien wird dies jedoch nicht unterfüttert.

So sieht die farm-to-fork Strategie zB. vor, die Pestizideinträge der Landwirtschaft in der EU bis 2030 um 50% zu reduzieren. Der Anteil des ökologischen Landbaus soll auf 25% wachsen. Auf der anderen Seite soll die klimafreundliche Bewirtschaftung z.B. durch Grünland, welches eine höhere CO-2 Bindung bewirkt, unterstützt werden.

All das müssten Qualitätskriterien für die künftige Bodennutzung, insbesondere für nach der Rekultivierung zur Verfügung stehenden Flächen sein.

  1. Attraktive Wohnquartiere mit naturnahen Naherholungsmöglichkeiten

Das Ende des Braunkohletagebaus geht mit einer Wiedergewinnung von Landschaft einher, die sich nach und nach natürlich entwickeln kann. Das eröffnet große Chancen für neue naturnahe Naherholungslandschaften, die untrennbar mit der angestrebten Gewinnung von neuen Arbeitskräften verbunden sind. Niemand zieht gerne in eine devastiere Altindustrielandschaft.

Deshalb muß – als Qualitätskriterium und Fördervoraussetzung für kommunale Konzepte – die Entwicklung von Wirtschaft und Naturraum verbunden sein.

 Mit freundlichen Grüßen

Rolf Beu, Fraktionsvorsitzender             Horst Lambertz, Fraktionsmitglied

f.d.R: Antje Schäfer-Hendricks und Annika Schmidt (Fraktionsgeschäftsführerinnen)