Ergänzende Fragen zum wasserwirtschaftlichen Gesamtkonzept (TOP 6) zu den Auswirkungen der Grundwasserneubildung gemäß der derzeitigen und zukünftig zu erwartenden Niederschlagsmengen auf die Seebefüllungszeiträume

Alle Berechnungen zur Befüllung der Tagebaurestseen basieren auf den Daten der Jahre 1960 bis 1990 oder günstigenfalls bis 2010. Dies gilt sowohl für die Dimensionierung der RWTL als auch für die Annahme der Grundwasserneubildung und damit der Auffüllung der Grundwasserstockwerke zur Verhinderung einer großflächigen Verteilung eluierter Kippenbestandteile durch die Versickerung des eingeleiteten Rheinwassers.

Eine Befülldauer der Tagebaurestseen steht daher in direktem Zusammenhang mit der verfügbaren Niederschlagsmenge und der Versickerung. Betrachtet man die Zahlen der letzten zehn Jahre, so hat diese Wassermenge extrem abgenommen. Nordrhein-Westfalen verzeichnet landesweit einen Rückgang der Grundwasserneubildung und damit absinkende Grundwasserstände. Der Anteil signifikant zu niedriger Grundwasserstände liegt bei knapp 50 Prozent, geht aus dem hydrologischen Statusbericht des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) vom 18. Juli 2022 hervor.

An 49 Prozent der Grundwassermessstellen sind der Behörde zufolge niedrige bis sehr niedrige Grundwasserstände zu beobachten und zehn Prozent der Grundwasserstände zeigten ein absolutes Minimum. Der Anteil hoher bis sehr hoher GW-Stände sei mit sechs Prozent im Mai und fünf Prozent im Juni gleichbleibend niedrig. Im Vergleich zum Vorjahr sei der Anteil der niedrigen bis sehr niedrigen GW-Stände deutlich höher.

Noch deutlicher fällt das Grundwasserdefizit dem LANUV zufolge beim Vergleich zum Juni 2016 aus. Im Juni 2022 seien nur an zehn Prozent der Grundwassermessstellen höhere GW-Stände als 2016 gemessen worden. Hier zeigten sich die Auswirkungen der deutlich unterdurchschnittlichen Grundwasserneubildungsraten in den Jahren 2017, 2018 und 2019. In den Jahren 2020 und 2021 war zwar nach Angaben der Behörde ein leichter Anstieg der Grundwasserneubildung erkennbar, jedoch lagen auch diese Werte unterhalb der langjährigen Mittelwerte über die gesamte Messdauer der jeweiligen Messstelle, wodurch keine nachhaltige Auffüllung der Grundwasserspeicher erfolgen konnte.

Das Umweltbundesamt unterstützt laufende Forschungsarbeiten und lässt zum Beispiel die Klimaänderungen, die wir für Deutschland erwarten, mit verschiedenen Modellen projizieren (REMO- und WETTREG-Modell). Erste Ergebnisse des WETTREG – Modells zeigen eine deutliche Temperaturzunahme in Deutschland von durchschnittlich 2,3°C für den Zeitraum 2071 bis 2100. Dabei wird als Vergleichstemperatur die Temperatur der Zeitperiode 1961 bis 1990 zugrunde gelegt. Von großer Bedeutung sind jedoch nicht nur die projizierten Veränderungen der Temperatur, sondern auch des Niederschlags. Das WETTREG – Modell ermittelt eine Abnahme der Niederschläge im Sommer von etwa 20 % in Deutschland. Die veränderte Temperatur und die veränderten Niederschläge wirken auf die verschiedenen Größen des Wasserkreislaufs. Wegen steigender Temperaturen erhöht sich unter anderem die Verdunstung, die veränderten Niederschläge beeinflussen den Abfluss an der Oberfläche sowie die Grundwasserneubildung. Auf diesem Weg wirken die veränderten Klimabedingungen auch auf das Grundwasser.

Das der Helmholtz-Gesellschaft angehörige UFZ hat aufgrund des Klimawandels und der Zunahme von Extremereignissen mit  der Bereitstellung robuster Wasserhaushaltsinformationen begonnen. Dieses Informationssystem soll den tages-aktuellen Zustand der Wasserverfügbarkeit auf der Landoberfläche, im Boden in verschiedenen Tiefen, im Grundwasser und in den Oberflächengewässern räumlich und zeitlich hoch aufgelöst im operationellen Betrieb verfügbar machen. Leider sind aktuelle Zahlen für das Rheinische Revier nicht vor 2024 zu erwarten.

Auch der Fortschrittsbericht der Vereinten Nationen von 2021 für das sechste Ziel nachhaltiger Entwicklung (SDG 6) machte die Defizite bei Grundwasserdaten und -überwachung zum Thema. Er nannte die Grundwasserüberwachung eine „vernachlässigte“ Frage. Grundwasser muss im Zeitverlauf in Bezug auf Menge und Qualität überwacht werden, um Verhalten und Zustand der Grundwasserleiter zu verstehen und um mögliche negative Veränderungen wie übermäßige Entnahme, verringerte Neubildung (einschließlich der Auswirkungen des Klimawandels) und Verschmutzung zu erkennen. Grundwasserneubildung wird dabei meist geschätzt und nicht direkt gemessen. Enger überwacht werden müssen Grundwasserleiter, die hochgefährdet sind und/oder Dienstleistungen für Mensch und  Umwelt erbringen.
Die heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisse der Hydrogeologie sowie die verfügbaren Methoden
und Instrumente sind für die Lösung der meisten Fragen der Grundwasserbewirtschaftung
ausreichend. Die Herausforderung besteht eher im Mangel an zuverlässigen Daten für gebiets-
spezifische Grundwasserbewertungen und Szenario-Analysen. Jeder Grundwasserleiter und seine
Randbedingungen sind einzigartig. Daher sind feldnahe Grundwasserbewertungen entscheidend für
eine fundierte Regulierung und Bewirtschaftung. (UNESCO, 21.3.22)

Um diese allseits anerkannte Veränderung hinsichtlich der Neubildung von Grundwasser und der damit verbundenen verzögerten Wiederauffüllung der Grundwasserstockwerke bei der Planung der Restseen berücksichtigen zu können bitten wir zum nächsten Braunkohleausschuss unter dem TOP 6 „Vorstellung des wasserwirtschaftlichen Gesamtkonzeptes für das Rheinische Revier“  folgende Fragen mit zu beantworten:

  1. Welchen räumlichen Umfang haben die Auswirkungen der Sümpfung auf die einzelnen Grundwasserstockwerke?
  2. Welche Menge an Grundwasserneubildung ist zur Wiederherstellung der Verhältnisse vor dem Kohleabbau notwendig?
  3. Ist es möglich, durch Anwendung der REMO- und WETTREG-Modelle Aussagen hinsichtlich der Fülldauer und Füllmengen unter Berücksichtigung der deutlichen Temperaturzunahme in Deutschland von durchschnittlich 2,3°C für den Zeitraum 2071 bis 2100 und der Abnahme der Niederschläge im Sommer von etwa 20 % zu machen? Wenn ja, wie sind diese Ergebnisse?
  4. Kann das LANUV unter der Annahme der linearen Fortsetzung der Niederschlagsmengen seit 2015 einen Zeitplan zur vollständigen Wiederbefüllung der Grundwasserstockwerke berechnen und vorlegen? Welche Zeitdauer ist demgemäß zu erwarten?
  5. Kann das LANUV unter der Annahme der durch höhere Temperaturen und längerer sommerlicher Trockenphasen höheren Verdunstungsraten reduzierten Niederschlagsmengen auf Basis der Daten seit 2015 einen Zeitplan zur vollständigen Wiederbefüllung der Grundwasserstockwerke berechnen und vorlegen? Welche Zeitdauer ist demgemäß zu erwarten?
  6. Das der Helmholtz-Gesellschaft angehörige UFZ arbeitet an einem räumlich und zeitlich hoch aufgelösten Informationssystem um den tages-aktuellen Zustand der Wasserverfügbarkeit u.a. im Boden in verschiedenen Tiefen und im Grundwasser verfügbar machen. Aktuelle Zahlen sind für das Rheinische Revier nicht vor 2024 zu erwarten. Besteht dennoch die Möglichkeit, dass aktuelle Zwischenergebnisse dem Braunkohlenausschuss kurzfristig vorgestellt werden?

Für die Beantwortung unserer Fragen zum Tagesordnungspunkt bedanken wir uns im Voraus.

Mit freundlichen Grüßen

Horst Lambertz, Fraktionsvorsitzender